Unsere Gesellschaft hat wenig Verständnis für
Drogenabhängige.
Dennoch bietet sie ihnen Möglichkeiten zur
Therapie, Substitution und Resozialisierung.
Alkohol, Heroin,
Koks, Amphetamine, alles ist überwindbar, mit etwas Charakterstärke
und gutem Willen.
Dass ich selbst von 1991 bis 94 hochdosiert an
der Nadel hing, ist kein Geheimnis.
Ich hab dann "einfach"
aufgehört (ohne Therapie und Substitution), nachdem ich feststellte,
dass ich physisch und psychisch am Ende war.
Während dieser drei
Jahre des Opiat-Konsums war ich in der Gesellschaft ein Außenseiter.
Beschaffungskriminalität fiel bei mir zwar weg, weil ich mit dem
Bemalen von Designerklamotten rund 6000 Mark im Monat machte, aber
die verschiedenen Prioritäten und Wahrnehmungen führen zur
Diskrepanz. Somit bleiben Junkies unter sich, genauso wie die
"Normalen" und "Gesunden".
Nach erfolgreicher
Selbstresozialisierung, die ohne ein paar alte Freunde um einiges
schwerer ausgefallen wäre, war ich wieder ein Teil der "normalen"
und "gesunden" Gesellschaft.
Der Konsum hatte aber seine
Spuren hinterlassen. Man schätzte mich rund zehn Jahre älter als
ich tatsächlich war.
Die vegetarische Ernährung, die während
der drei Jahre des Konsums pausierte, nahm ich wieder auf und 2002
erfuhr ich, was es mit männlichen Küken und Kälbern auf sich hat.
Ich hinterfragte, ob ich überhaupt das Recht habe, ein Tier als
nutzbar anzusehen und wurde umgehend vegan.
Nachdem ich den
Entschluss Freunden mitteilte, arrangierten sie ein Sit-in, um mir zu
vermitteln, wie sehr sie um meine Gesundheit besorgt seien.
"Eiweißmangel, Muskelschwund, Haarausfall, brüchige
Fingernägel, Gehirnschrumpfung, Verschwulung und Impotenz, du
spielst mit deinem Leben!"
Seit dem sind 14 Jahre vergangen und alles hat sich komplett
gedreht.
Man schätzt mich regelmäßig auf 28 Jahre, maximal 35.
Nächsten Frühling werde ich 48.
Die "Gesunden" und
"Normalen" sehen auf einmal alt aus. Menschen in meinem
Alter könnten meine Eltern sein. Und sie leiden unter einem
unglaublichen Suchtverhalten, das ihre Körper, ihren Geist und den
Planeten zerstört. Ein Suchtverhalten, das nur befriedigt werden
kann, wenn dafür unzählige leidensfähige Individuen gezüchtet,
manipuliert, ausgebeutet und ermordet werden.
Dass der
regelmäßige Konsum von Tierleidprodukten zu physischer
Abhängigkeit führt, kann man nicht leugnen.
Fleisch enthält
Stress- und Schmerzhormone. Tiere, die vor ihrem Tod über viele
Kilometer transportiert werden und im Schlachthaus bis zum Trauma
mit Angst und Schmerzen konfrontiert werden, produzieren sehr viel
Adrenalin und Endorphine (körpereigenes Morphium).
Milch und
Milchprodukte enthalten Casomorphine. Die sollen eigentlich das Kalb
belohnen und beruhigen, finden sich aber hochkonzentriert im Käse
für erwachsene Menschen.
"Auf Fleisch könnte ich ja noch
verzichten, aber auf Käse..." Tausendmal gehört.
Wo alle
guten Argumente verhallen und die psychische Abhängigkeit ("weil
es mir schmeckt") trotzig in den Fokus gesetzt wird, ist man
von Junkies umgeben.
Für Tierleid-Junkies gibt es keine
Therapien und keine Therapeuten, aber viele Werbespots, die ihren
Konsum im Gang halten, für eine Wirtschaft, die von ihrer Sucht
lebt.
Den meisten Langzeitveganern geht es ähnlich wie mir. Auch sie
werden jünger geschätzt.
Manch veganer Misanthrop und
Miesepeter schafft es, den ernährungsbedingten Vorteil durch
negative Gedanken zu kompensieren und es ernähren sich nicht alle
VeganerInnen gesund, aber im Schnitt sehen vegan lebende Menschen
jünger und gesünder aus.
Wenn der Verdauungstrakt ein Leben
lang mit Art untypischen Verwesungsprozessen befasst ist und der
Körper ungesunde Fette und Eiweiße verarbeiten muss, die zu
Ablagerungen und Muskelübersäuerung führen, hinterlässt das
seine Spuren.
Schwammige Gesichter mit merkwürdigen Dellen,
schlaffer, großporiger Haut und kragenabwärts wird es nicht
besser. Auch mit normalem BMI sehen sie alt aus.
Da die
gleichaltrigen Artgenossen in der Masse genauso verbraucht und
scheiße aussehen, fehlt der Vergleichswert, weshalb das Problem
nicht als solches wahrgenommen wird.
Für Meth-Junkies gibt es
zur Abschreckung "Vorher-Nachher-Grafiken", bei
Tierleid-Junkies heißt es nur "so sieht man halt aus, wenn man
47 ist". Gruselig...
Ich habe die wohl härteste Droge der Welt besiegt und
realisierte, dass ich von Druffis umgeben bin, die sich viel
schlimmer verhalten als meine einstigen Leidensgenossen. Der
individuelle und globale Kollateralschaden ihrer Sucht steht nicht
in Relation. Ihre Ausreden sind ungleich schwerer
nachzuvollziehen.
Mir wurde immer wieder unterstellt, ich hätte
viel Charakter, weil ich von dem Zeug losgekommen bin. Wenn dem so
ist, frage ich mich, wie wenig Charakter ein Mensch haben muss, wenn
er es nicht schafft, von viel schwächer wirkenden Drogen
loszukommen, von denen er weiß, dass ihre Produktion auf
Freiheitsentzug, Vergewaltigung, Blutvergießen und Umweltzerstörung
basiert.
Es gab damals sehr viele Menschen, die auf mich
herabschauten.
Jetzt bin ich einer, der auf sehr viele Menschen
herabschaut.
Heulsusen und Jammerlappen. Sie dürfen sich gern
schämen. Kein Rückrat, keine Eier... Wer keine Eier hat, kauft
sich welche.
Tierrechtler können sich als Therapeuten
betrachten, die der Masse von vorzeitig gealterten Heulsusen und
Jammerlappen einen Spiegel vorhalten und alternative Wege
zeigen.
Dabei sollten sie vielleicht öfter auf die verschiedenen
Morphine und Adrenalin hinweisen, um den Leuten zu zeigen, dass eine
physische und psychische Abhängigkeit vorliegt, die sie im wahrsten
Sinne alt aussehen lässt. Wenn diese als solche wahrgenommen wird,
führt das hier und da zum Anreiz, sich davon zu befreien.
Ich habe vor 22 Jahren realisiert, dass ich leben will. Wann
beginnst Du damit?
Schlunz