Dienstag, 12. Februar 2008

"Veredelung"

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Seit Jahren höre ich von antiveganen Skeptikern dasselbe Argument:
"Wenn alle Menschen dieser Gesellschaft vegan leben würden, würde sich für die Dritte Welt nichts verändern... Es gibt genügend Ressourcen, sie werden nur ungleich verteilt, um politischen Druck auszuüben."
Und seit Jahren kursieren schwankende Zahlen über die Mengen von Soja und Getreide, welche zu Fleisch, Milch und Eiern "veredelt" werden.
Allein der Umstand, dass sich Welthungerorganisationen, Umweltschützer und Institute nicht auf einen Nenner einigen, reicht für Skeptiker, das Problem zu negieren.
Nun hat sich aber auch in der europäischen Union herumgesprochen, was bisher angeblich nur als haltlose Propaganda von Veganern abgetan wurde und die Stuttgarter Zeitung hat sich des Themas angenommen:
...In wenigen Jahren hat sich das Blatt der europäischen Agrarpolitik völlig gewendet. Während bis vor kurzem das wichtigste Ziel noch darin bestand, die Produktion zu drosseln und der stagnierenden Nachfrage anzupassen, beginnt man sich jetzt in Brüssel über die drohende Knappheit der Agrarrohstoffe Sorgen zu machen. Die Butterberge und Milchseen, die unverkäuflichen Rinderhälften in den Kühlhäusern und die Getreideüberschüsse gehören der Vergangenheit an.

Die Lagerhäuser sind inzwischen leer, die Vorräte geschrumpft. Die Getreide- und Milchpreise auf dem Weltmarkt sind auf ungewohnte Höhen geklettert. "Wir machen uns angesichts der großen Schwankungen bei den Ernten inzwischen wieder Sorgen um die Eigenversorgung in Europa. Die Versorgungssicherheit steht wieder ganz oben auf der Agenda", heißt es in Brüssel. Der unerwartete Wechsel von Überschuss zu Knappheit wurde allerdings weniger durch die von den EU-Agrarreformen verordneten Flächenstilllegungen und Produktionsquoten verursacht, sondern vor allem durch äußere Faktoren: Die Nachfrage nach Lebensmitteln in Schwellenländern wie Indien und China ist gestiegen. Ein neuer Mittelstand kommt zu Geld und kann sich teurere Lebensmittel leisten. Der Kalorienbedarf wächst, die Konsumgewohnheiten verändern sich.

Anstatt sich mit der traditionellen Schale Reis zufriedenzugeben, wenden sich die Gewinner der Globalisierung in Asien so ungewohnten Genussmitteln wie Milch, Käse oder Whisky zu. Mehr und mehr werden "veredelte" Lebensmittel nachgefragt: anstatt Getreide Fleisch von Rindern, die mit Getreide gefüttert werden, Eier von Hühnern, die mit Körnern gemästet werden. Da für ein Kilo Fleisch bis zu vier Kilo Getreide verfüttert werden müssen, steigt der Bedarf an dem landwirtschaftlichen Rohstoff Getreide - und kann weltweit wegen schlechter Ernten nicht mehr befriedigt werden.

Wie reagiert Brüssel, wo alle Fäden der gemeinsamen EU-Agrarpolitik zusammenlaufen, auf die veränderte Situation? Ende September haben die EU-Agrarminister auf Vorschlag der EU-Kommission die Bauern von der Verpflichtung zur Flächenstilllegung freigestellt. Doch im besten Fall kann dadurch die Getreideproduktion in der EU im nächsten Jahr um rund zehn bis 17 Millionen Tonnen erhöht werden. Schon im vergangenen Jahr ist aber die Ernte um 266 Millionen Tonnen schlechter ausgefallen als erwartet. Die Erträge in diesem Jahr sind angesichts der ungewöhnlichen Trockenperiode im Frühjahr noch einmal um 20 Prozent gesunken...

http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1544936

Fazit:
Wenn wir alle vegan leben, ändert das sehr viel, denn ohne Veredelung von Getreide gibt es auch keine Preisdifferenzen, durch welche politisch Druck ausgeübt wird. Dann ist Getreide Getreide und es wird nicht in "Viehfutter" für reiche Länder, "Viehfutter" für arme Länder und sonstiges Getreide unterschieden.
WIR bestimmen durch unser Verhalten den Markt und damit die Marktwirtschaft. WIR haben es zu verantworten, wenn aus Tonnen von Getreide ein paar Kilo Fleisch und ein paar Liter Milch gewonnen werden.
Getreide, das aus Flüssen gespeist wird, die zunehmend versanden.
WIR steuern den Wasserhaushalt und die Armut dieses Planeten.
Die Mittel dazu geben wir jenen, denen wir die Schuld in die Schuhe schieben.
Das ist billig und ignorant.

Im Prinzip müsste mein Sticker schon auf jedem unveganen Produkt kleben...


Die Motivation, vegan zu leben sollte in erster Linie ethischer Natur sein, da es unnötig und barbarisch ist, nichtmenschliche Tiere auszubeuten, doch auch das Nahrungsungleichgewicht läuft unter einem ethischen Kontext.
Was nützt es, Müll zu trennen, Strom zu sparen, mit der Bahn, bzw. dem Fahrrad zu fahren und sich anderweitig zu engagieren, wenn man mit ein paar Gramm Fleisch, ein paar Litern Milch und ein paar Eiern einen so immensen Schaden verursacht?
Tierleid, Umweltverschmutzung und Nahrungsungleichgewicht gekoppelt mit ungesunden Fetten und Cholesterin…

Naja... Bis die EU-Agrarminister Nägel mit Köpfen machen, werden wohl noch viele Trockenperioden für lange Gesichter sorgen und wenn sie jemals Konsequenzen einleiten, sind diese sicher nicht veganer Natur...



Schlunz


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